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Haltung oder Sitz - das ist hier die Frage (Teil 1)

Text und Illustration: Denra Dürr - Intelligent-Reiten


Warum ist die Ausbildung des Sitzes genauso wichtig wie die Ausbildung des Pferdes?


  • Weil sich das Pferd nur in dem Maß entwickeln kann, wie sein Reiter es vermag.

  • Weil sich Können und Reife des Reiters auf physischer, mentaler und

    emotionaler Ebene im Verhalten des Pferdes widerspiegeln.

  • Weil der Sitz das Zentrum der Kommunikation und Sprachorgan ist.

  • Weil Verbesserung des Sitzes zu kontinuierlicher Entwicklung beim Pferd führt.

  • Weil das Pferd als lebendiges Kunstwerk den Reiter als Künstler widerspiegelt.

 

 

DER GUTE SITZ



Der Sitz ist das zentrale Kommunikationsinstrument, mit dem sich der Reiter auf der physischen Ebene mit dem Pferd verständigt. Die Signale, die er dabei aussendet, sind seine Sprache. Je präziser dieses Instrument genutzt wird, desto klarer, verständlicher und differenzierter sind die Signale für das Pferd.

 

Gleichzeitig empfängt der Reiter über seinen Sitz auch Signale und Informationen vom Pferd. So kann er Losgelassenheit, Durchlässigkeit und Vertrauen wahrnehmen, aber auch Unsicherheit, Überforderung und Stress des Pferdes. Der Sitz ist daher Sender und Empfänger zugleich – Sprecher und Zuhörer.

 

GUT ZU WISSEN: 

Ich spreche hier bewusst von der physischen Ebene. Es gibt jedoch auch die mentale, emotionale und energetische Ebenen, über die wir mit dem Pferd kommunizieren und Informationen von ihm empfangen können.

 


 

DIE MERKMALE EINES GUTEN SITZES

 

Unabhängig vom Körperbau eines Menschen hat ein guter Sitz folgende Merkmale:

 

  • Er ist aufrecht, geschmeidig und im Gleichgewicht, wodurch er von

    innen heraus Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.

  • Er ist dynamisch, durchlässig und in seinem Kern positiv aufgespannt.

  • Er ist ausschließlich auf den beiden Sitzbeinhöckern balanciert.

  • Er folgt der Bewegung des Pferdes und bleibt mit ihr verbunden.

  • Er führt, reguliert und formt das Pferd durch freundliche, feine und

    präzise Signale und Hilfen.

 

 

 

DAS ROHMATERIAl FÜR EINEN GUTEN SITZ


 

Die Grundlage eines guten Sitzes ist eine gute Körperhaltung.

Wer im Alltag eine aufrechte und gesunde Haltung pflegt, wird diese auch im Sattel beibehalten.

 

Eine gute Haltung entsteht durch innere Aufrichtung und eine gewisse Spannkraft – eine „positive Aufspannung“. Ein guter Sitz ist also nichts anderes als eine gute Haltung im Sitzen.

 


WELCHEN NUTZEN BRINGT UNS DIE POSITIVE AUFSPANNUNG?

 

Eine gute Haltung bildet nicht nur das Fundament eines guten Reitersitzes, sondern ist auch essenziell für einen leistungsfähigen und gesunden Körper.

 

  • Der Körper bewegt sich geschmeidiger, leichter und

    gelenkschonender.

  • Die Wirbelsäule wird gestreckt und stabilisiert.

  • Becken, Rumpf und Kopf vereinen sich zu einer schwingenden Einheit.

  • Gelenke, Sehnen und Bänder werden entlastet.

  • Die periphere Muskulatur kann durch die stabilisierende Aktivität der

    Kernmuskulatur entspannen.

  • Atem und Energie fließen frei, und wir strahlen von innen heraus.

 

 

 

Ob beim Klettern, Schwimmen, Tennisspielen, Trampolinspringen, Spazierengehen, Wandern, Joggen oder sogar beim Anstehen an der Kasse – eine gute, positiv aufgespannte Haltung ist in jeder Lebenslage wertvoll.

 
 

ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE

 

Beobachten wir kleine Kinder beim Gehen, wirkt es, als seien sie von einem unsichtbaren Faden aufrecht gehalten und direkt mit dem Himmel verbunden – als ob eine innewohnende Kraft sie aufrichtet und ihnen Würde verleiht.

 

Diese aufrichtende Kraft, die ich als „Leichtkraft“ bezeichne, lässt uns zwischen Himmel und Erde aufrecht stehen und gehen. Sie wirkt dem Einfluss der Schwerkraft entgegen und bringt uns in Schwung, wie der Bogen die Saiten eines Cellos zum Schwingen bringt.

 



Diese aufrichtende Kraft durchzieht und vernetzt unseren Körper und schafft Raum in ihm. Die Organe finden Platz für ihre Arbeit, die Gelenke werden entlastet, und der Körper kann sich entfalten. Unser Gang wird dynamischer und leichter, die Lebensenergie, das Blut und der Atem können freier fließen, und unser Gemüt hellt sich auf - wir sind präsent. Dies ist eine Haltung, die unserem ursprünglichen Körperbauplan entspricht.

 

GUT ZU WISSEN: 

Dasselbe geschieht beim Pferd, wenn es eine positiv-aufgespannte Haltung einnimmt: Seine Bewegung wird leichtfüßiger, der Rücken schwingt und trägt das Reitergewicht besser. Dies ist für die Gesunderhaltung eines Reitpferdes von großer Bedeutung.

 
 

UND WAS GESCHIEHT DANN?

 

Oft geht bereits in der Jugend die Verbindung zur aufrichtenden „Leichtkraft“ verloren, und Präsenz und Ausstrahlung verblassen. Die Schwerkraft übernimmt leicht die Oberhand:

 

Das Becken kippt, die Brust fällt ein, die Schultern runden sich, der Kopf schiebt sich nach vorne, der Blick richtet sich nach unten. Der Gang wird schwunglos und träge, und das Gemüt wird beschwert.

 

Für diese Entwicklung gibt es viele Ursachen, wie etwa Bewegungsmangel, fehlendes Körperbewusstsein, ungünstige Vorbilder oder mangelnde Lebensfreude.

 
 

WIE INNEN SO AUSSEN

 

Unsere äußere Haltung wird stets von unserer inneren Haltung beeinflusst – und umgekehrt. Körper und Emotionen sind eng miteinander verbunden und untrennbar verwoben.

 

Die Haltung und Ausstrahlung eines frustrierten oder traurigen Menschen unterscheidet sich deutlich von der einer Person voller Tatendrang und Freude. Ein verärgerter oder wütender Mensch strahlt etwas Anderes aus als jemand, der in Frieden mit sich und der Welt lebt. Ebenso sind Haltung und Ausstrahlung eines verängstigten Menschen ganz anders als die eines Menschen, der sich sicher und geborgen fühlt. So beeinflussen sich beide Ebenen stets gegenseitig!

 

SO AUCH BEIM PFERD. . .

 

Ein Pferd, das sich unsicher, missverstanden oder überfordert fühlt, zeigt dies durch körperliche und mentale Anspannung. In diesem Zustand sind Losgelassenheit, Hingabe und Lernen kaum möglich.

Deshalb ist es essenziell, bei der Ausbildung eines Pferdes alle seine „4 Körper“ im Blick zu behalten – den physischen, mentalen, emotionalen und energetischen. Es gilt, sie lesen zu lernen.

 

Auch beim Pferd stehen innere Haltung und äußere Ausdruckskraft in direkter Verbindung. Ein selbstbewusstes und neugieriges Pferd trägt seine innere Stärke nach außen: Es richtet sich von innen auf und strahlt.

 

DAS KÖNNEN WIR UNS ZU NUTZE MACHEN:

 

Da Pferde äußerst sensibel auf die Ausstrahlung anderer Lebewesen und Orte reagieren, können wir bewusst Einfluss auf sie nehmen.

Eine gelassene innere und äußere Haltung, verbunden mit ruhigem Atem, wirkt beruhigend auf das Pferd und vermittelt ihm Sicherheit.

Eine verkrampfte Körperhaltung, Nervosität oder hektisches Atmen hingegen verstärken Verunsicherung und fördern die Bereitschaft zur Flucht.

 
 

ATMUNG

 

Jede noch so korrekte Körperhaltung, jeder noch so schöne Sitz, bleibt ohne den belebenden Atem eine leere Hülle. Erst durch die richtige Atmung wird unser Körper lebendig und empfänglich, fähig, die feinen Signale des Pferdes wahrzunehmen.




 

Eine kurze, flache Atmung regt das Denken an. Wir verlieren die Verbindung zu unserer Mitte, fallen aus ihr heraus und landen im Kopf. Dies führt zu Anspannung, Unruhe und Nervosität.

 

Eine ruhige, tiefgehende Atmung bringt uns hingegen zurück in unsere Mitte und fördert das Fühlen – auch das der unangenehmen Empfindungen, was besser ist als völlige Gefühlstaubheit. So zu atmen wirkt entspannend und heilsam auf den Körper, lässt das Denken zur Ruhe kommen und unterstützt intuitive, instinktive Entscheidungen.

 
 

 MERKMALE DER GUTEN HALTUNG

 

Wie eingangs erwähnt, ist ein guter Sitz im Wesentlichen eine gute Haltung im Sitzen. Daher gelten für Haltung und Sitz die gleichen Prinzipien:

 

- aufrecht, geschmeidig, im Gleichgewicht und von innen heraus

  strahlend

- dynamisch, durchlässig und im Kern positiv aufgespannt.

 
 

WAS BRINGT EINE POSITIV-AUFGESPANNTE HALTUNG BEIM REITEN?

 

Die Liste der positiven Aspekte ist lang – hier die wichtigsten:

 

  • Das Mitgehen in der Bewegung des Pferdes wird spürbar einfacher.

  • Ein gemeinsames Gleichgewicht zwischen Reiter und Pferd wird leichter erreicht.

  • Der Einsatz der Sitzbeinhöcker und damit die präzise Anwendung von Gewichtshilfen wird durch die positive Aufspannung deutlich differenzierter und effektiver.

  • Das „Führen“ des Pferdes aus der Körpermitte, dem Zentrum des Sitzes, verbessert sich erheblich.

  • Sitz- und Haltungsfehler wie Rundrücken, Hohlkreuz, vorgestreckter Kopf, Instabilität des Rumpfes, schiefer Sitz, Einknicken in der Hüfte, Vorlage oder Rücklage, gekipptes Becken, unruhige Hände oder klammernde Hände und Beine werden reduziert oder verschwinden.

 


 

UND WIE GEHT DAS?

 

Falls die Suche nach der positiv aufgespannten Haltung für dich Neuland ist, möchte ich dir hier gerne eine kurze Anleitung geben.

 

"Stelle dich mit deinen Füssen schulterbreit hin.

Werde dir deiner Fersen und der kugelartigen Gelenke der beiden grossen Zehen (Grosszehengrundgelenk) bewusst.

 

Nimm die Kraft deiner Beine wahr und gib in den Knien leicht nach.

Deine Beine tragen dein Becken, und deine Sitzbeinhöcker sind vertikal zur Erde ausgerichtet.

 

Nun stelle dir vor, dass sich in deinem Becken eine Sonne befindet.

Sie ist dein Energiekraftwerk und strahlt aus deiner Körpermitte in alle Richtungen.

 

Stell dir vor, dass ein Sonnenstrahl ganz langsam durch dich, nach oben Richtung Solarplexus aufsteigt.

 

Dort angekommen stellst du fest, dass sich deine unteren 3-4 Rippen leicht geschlossen haben und deine Taille sich etwas gestreckt hat und länger wurde.

 

Du lässt den Strahl weiter aufsteigen bis in die Mitte deines Brustkorbes.

Dabei weitet er sich und es entsteht mehr Raum in ihm.

 

 Lass den Strahl weiter bis auf die Höhe deiner Schlüsselbeine aufsteigen.

Dort angekommen, stellst du dir vor, dass sich diese seitlich verlängern.

Deine Schultern werden breiter, deine Schulterblätter senken sich.

Nun erhält auch dein oberer Brustkorb mehr Raum. Er weitet sich, sodass auch für dein Herz und deine Lungen mehr Raum entsteht.

 

Dein Herz pulsiert freier und leichter und dein Atem fliesst ruhiger und tiefer.

 

Der Strahl steigt weiter auf und lässt dabei deinen Nacken länger werden, während dein Kinn sich leicht deiner Kehle annähert.

So entsteht zwischen deinen Halswirbeln mehr Raum.

 

Der Strahl steigt weiter durch deinen Hinterkopf und tritt am höchsten Punkt deines Schädels, dem Kronenpunkt, aus deinem Kopf heraus und steigt weiter Richtung Himmel.

 

Es ist wie der unsichtbare Faden des Kleinkindes, der es aufrecht in die Welt schreiten lässt oder

wie ein Baum, der mit seinen Wurzeln Halt und Nahrung in der Erde findet, damit er seine Krone ausbreiten und in den Himmel wachsen kann."

 


Nun hast du die besten Voraussetzungen geschaffen, damit deine Lebensenergie frei durch deinen Körper strömen kann, ihn belebt und strahlen lässt. Deine Knochen befinden sich in ihrer ursprünglichen Ordnung. Nun kannst du die äussere Muskulatur loslassen, weil deine aufrechte Haltung aus deinem inneren Kern getragen wird. Du hast dich entfaltet, trägst deine Krone und bist mit dir, dem Himmel und der Erde verbunden - und für die Welt bereit!

 

DER SELBE TEXT KÖNNTE AUCH LAUTEN:

 

Nun hast du die besten Voraussetzungen geschaffen, damit die Lebensenergie deines Pferdes frei durch seinen Körper strömen kann, ihn belebt und strahlen lässt. Seine Knochen befinden sich in ihrer ursprünglichen Ordnung. Es kann die äussere Muskulatur entspannen, weil seine aufrechte Haltung durch seinen inneren Kern getragen wird. Es hat sich entfaltet, trägt seine Krone und ist mit dir, dem Himmel und der Erde verbunden.


Unter dem Titel: BESSER REITEN OHNE PFERD, biete ich Kurse an, die sich intensiv mit diesem und ähnlichen Themen befassen. Die Möglichkeit, sich dabei nur um sich selbst kümmern zu können, bringt einen grossen Mehrwert.


TEIL 2 demnächst . . .


 

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